Liebe, Beziehungen und Heirat auf Bali: Ich bin privilegiert – das merke ich immer wieder, wenn ich mich mit anderen Ländern und Kulturen beschäftige. Besonders als Frau hätte ich in vielen Teilen der Erde nicht annähernd die gleichen Rechte, wie ich sie durch meine Geburt in Deutschland habe. Natürlich kann auch hier noch einiges getan werden, was die Emanzipation der Frauen betrifft, doch immerhin kann ich meine eigenen freien Entscheidungen treffen, ohne dafür verstoßen zu werden. Ich kann zum Beispiel entscheiden als Single und kinderlos zu leben, werde dafür vielleicht manchmal schräg angeschaut oder muss mir den einen oder anderen Spruch anhören, bleibe aber trotzdem Teil der Gesellschaft und treffe auch auf viele gleichgesinnte Frauen.
Nicht so wäre das unter anderem auf der indonesischen Insel Bali. Das Urlaubsparadies, welches von vielen westlichen Touristen als kulturell traumhaft hochgelobt wird, ist definitiv schön und besuchenswert, beschäftigt man sich jedoch eingehender mit den lokalen Bräuchen und Gepflogenheiten, so wird man feststellen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Bereits vor zwei Jahren habe ich einen Artikel über einige der kulturellen Schattenseiten geschrieben, nämlich den folgenden: Balinesische Kultur. In diesem Artikel möchte ich mich noch eingehender mit dem Thema Liebe und Heirat auf Bali beschäftigen.
Auch wenn ich dreimal die Insel besucht habe und das eine Mal sogar ungefähr zwei Monate vor Ort war, habe ich mein Wissen über die Menschen der Insel weniger dort gesammelt, als vielmehr während meiner Arbeit auf Flusskreuzfahrtschiffen. Dort arbeiten zahlreiche Balinesen als Kellner, Köche oder im Housekeeping und ich war viele Jahre lang jeweils mehrere Monate pro Jahr an Board mit ihnen, als ihre Deutschlehrerin. Wenn man zusammen auf einem Flusskreuzfahrtschiff lebt, auf dem der Crewbereich räumlich natürlich überschaubar ist, hat man viel Zeit, um sich miteinander auszutauschen. Zudem habe ich sehr viel nachgefragt, auch über Liebe Beziehungen und Heirat auf Bali, da mich fremde Kulturen von je her sehr interessieren. Als eine der wenigen zur Crew zählenden Frauen an Board machen einem außerdem natürlich viele Crewmitglieder Avancen, so auch die Balinesen. Und natürlich sind auch einige sympathische dabei gewesen, doch nachdem ich angefangen habe, mich mit dem Thema Liebe, Beziehungen und Heirat auf Bali zu beschäftigen, war mir schnell klar, dass eine Zukunft mit einem Balinesen so gut wie unmöglich wäre.
Hinduistisches Insel: Beziehungen und Heirat auf Bali
Bali ist eine hinduistische Insel, während der größte Teil Indonesiens muslimisch ist, teilweise auch christlich. Der hinduistische Glauben bringt es mit sich, dass es auf Bali zahlreiche schöne, farbenfrohe Zeremonien gibt, in eleganten Gewändern. Das sieht toll aus und natürlich mögen es die Touristen. Frauen müssen zudem kein Kopftuch und können Sommerkleider tragen, anders als zum Beispiel größtenteils auf der Nachbarinsel Lombok. Dadurch wirkt es nach außen so, als hätten sie ein relativ freies, selbstbestimmtes Leben. Und ja, das haben Frauen auf Bali meist auch, bis sie dann heiraten. Nun könnte man meinen, dass sie doch aber alleine bleiben können und tatsächlich scheint es auf Bali keine wirklichen Zwangsheiraten zu geben, aber der Druck der Familien ist enorm, sowohl für Frauen, als auch für Männer. Das hat viele Gründe, die ich hier der Übersicht halber einmal untereinander gegliedert aufführen werde:
- Der Glaube besagt, dass die Seele der Frau haltlos im leeren Raum unterwegs ist, wenn sie nicht verheiratet ist. Nur dann hat sie ihren Platz gefunden.
- Die Frau zieht nach der Hochzeit grundsätzlich bei der Familie des Mannes, also den Eltern, teilweise auch den Großeltern, ein und kümmert sich dort um den Haushalt und die Familienmitglieder. Da es keine Sozialsysteme gibt, sind die Kinder die Altersvorsorge, die Schwiegertochter ist die Pflegerin der alten Schiegereltern.
- Kinder müssen gezeugt werden, um die Familienlinie “am Leben” zu erhalten und die Besitztümer weitergeben zu können. Am besten natürlich Söhne, da die Töchter ja das Haus verlassen und damit in eine neue Familie “überwechseln”. Außerdem können nur Söhne die Besitztümer der Familie erben.
Wenn ich mich nun also als balinesische Frau dazu entscheiden würde, alleine zu leben und keine Kinder zu bekommen, dann würde ich als extrem egoistisch gelten und überließe meine Familie ihrem unsicheren Schicksal. So etwas seinem Gewissen zuzumuten ist schwer bis unmöglich. Wenn ich dann noch sehr gläubig bin, wird es natürlich noch schwerer. Aber auch die balinesischen Männer haben diesen Druck und können nicht einfach so dauerhaft als Single leben. Warum sie trotzdem noch weitaus besser gestellt sind, dazu komme ich gleich.
Die meisten balinesischen Frauen heiraten in ihren Zwanzigern. Dabei ist es nicht immer eine wirkliche Liebeshochzeit, aus den eben schon beschriebenen Gründen, aber auch, da man nur innerhalb der eigenen Kaste heiraten kann. Die meisten gehören der untersten Kaste an und habe somit zumindest einigermaßen viel Auswahl, bei den höheren Kasten sieht es schon anders aus. Eine Ida (höchste Kaste) kann also keinen Wayan (niedrigste Kaste) heiraten.
Außerdem muss halt immer bedacht werden, dass man nicht nur den Mann heiratet, sondern eben auch seine Familie und zudem weitestgehend auch die Community, einen Teil des Ortes, der eine feste Gemeinschaft bildet, die neben der Familie auch sehr viel zu sagen hat. Verliebt man sich nun also in jemanden mit einer anderen Religion, aus einer anderen Kaste oder mit einer “unpassenden” Familie, so kann diese Liebe keine Zukunft haben. Die Gesellschaft ist nun einmal sehr kollektivistisch, das Glück des Einzelnen muss zurückstecken.
Nach der Hochzeit, einer mehrtägigen, aufwendigen Zeremonie, zieht die Frau dann im Hause der Familie des Mannes ein und lebt dort. Für die Frauen der balinesischen Schiffsmitarbeiter bedeutet dies dann, dass die Frau ihren Mann nur etwa 6 Wochen im Jahr sieht und die übrige Zeit dort alleine mit der Schwiegerfamilie wohnt. Und, wie wohl überall auf der Welt, verlaufen natürlich auch auf Bali nicht alle Ehen glücklich. Männer dürfen übrigens nach indonesischem Recht theoretisch 4 Frauen heiraten – eine Besonderheit einer hinduistischen Insel im weitestgehend muslimischen Indonesien. Gesellschaftlich ist das zwar mehrheitlich verpönt, passiert aber immer noch. Natürlich ist das aber eher den Männern mit etwas mehr Geld vorbehalten, da es ja die Ehefrauen auch finanziell zu versorgen gilt. Dass es aber auch auch arme Männer gibt, die trotzdem mehrere Frauen ehelichen, das zeigt die folgende Dokumentation über Heirat auf Bali: Bitter Honey.
Bali: sich scheiden lassen?!
Was ist nun aber wenn man sich scheiden lassen möchte? Rechtlich ist es möglich, jedoch nur mit extrem vielen Hürden. Und hier geraten ganz klar die Frauen auf Bali ins Hintertreffen. Denn sie haben ja ihre Community und ihre Familie verlassen und in ihre Herkunftsfamilie zurückzukehren gilt als extreme Schande, als ein Versagen. Zudem sagt ja nun einmal die Religion, dass die Seele einer unverheirateten Frau verloren ist, genauso auch die einer geschiedenen.
Und, was für mein Empfinden, der bedrohlichste Punkt ist: Nach der Scheidung verliert die Frau jegliches Recht ihre Kinder zu sehen, die zur Familie des Mannes gehören. Man überlegt es sich wohl viele Male, ob man sich wirklich scheiden lässt, wenn man damit seine Kinder verliert. Auch Besitz wird sie danach keinen haben, denn die Häuser gehören ja immer den Männern. Eventuell, wenn sie einen besonders verantwortungsbewussten Mann hat, wird dieser ihr nach der Scheidung weiterhin Geld zukommen lassen, eine Verpflichtung dazu existiert aber nicht. Scheidungen sind zudem auf Bali (wie ja in Deutschland auch) sehr langwierig und können einiges kosten. Deswegen ist es oft so, dass der Mann sich lieber eine zweite Frau nimmt, mit der er dann zusammen lebt, als sich offiziell von der ersten Ehefrau scheiden zu lassen, was aufgrund der eben bereits genannten Punkte, dann oft auch im Sinne der Frauen ist. Sie können dann jedoch keinen neuen Mann haben, zumindest nicht offiziell.
Ein weiterer Punkt, den ich unbedingt auch noch erwähnen möchte, ist dass Homosexualität auf Bali extrem verpönt ist. Es gibt also viele Homosexuelle, die, um den Druck der Gesellschaft nicht weiter auf sich spüren zu müssen, einen andersgeschlechtlichen Partner (gleichgeschlechtlich wäre ohnehin nicht möglich) heiraten und dann die glückliche Ehe vorspielen. So wie es auch bei uns vor nicht allzu vielen Jahrzehnten der Fall war. Bei einigen der Männer ist es wirklich ziemlich offensichtlich, dass sie schwul sind, trotzdem wird es totgeschwiegen und so getan, als hätte derjenige einfach noch nicht DIE Passende gefunden, solange er noch nicht verheiratet ist. Wahrscheinlich verhält es sich ähnlich mit lesbischen Frauen, nur habe ich in diesem Fall nicht viele Beobachtungen machen können, da auf dem Flusskreuzfahrtschiffen weitaus mehr balinesische Männer als Frauen arbeiten. Einer der Jungs aus dem Housekeeping hat mir mal erzählt, dass offen Homosexuelle auf Bali oft obdachlos werden, wenn ihre Familie sie verbannt. Verständlich, dass man sich dann nicht outen möchte. Außerdem ist mittlerweile außerehelicher Sex in Indonesien gesetzlich verboten. Homosexuelle können aber ja generell nicht heiraten, so dass sie gesetzlich auch nicht miteinander intim werden können.
Wenn man all diese Punkte betrachtet, so zeigt sich, dass die balinesische Gesellschaft in vielen Punkten einfach keineswegs so offen ist wie viele Touristen es annehmen. Ich würde sogar behaupten, dass es, wenn man die Punkte Beziehungen und Heirat betrachtet, leichter wäre mit einem muslimischen Indonesier zusammen zu sein, als mit einem hinduistischen. Dies richtet sich von meiner Seite auch an Touristinnen, die sich eventuell blauäugig in den Charme eines balinesischen Beach Boys verlieben. Lasst euch nicht täuschen. Auch hier habe ich eine gute Dokumentation für euch: Cowboys of Paradise.
Ebenfalls über diese Thematik habe ich übrigens mal in meinem Podcast HERSpectives gesprochen, den ich seit einiger Zeit zusammen mit meiner Freundin Lynn habe.